Montag, 30. November 2020

Traditionen, Flüsterkneipen, Pest und Cholera

Ich habe aus dem Interesse zu verstehen, was ich tue, Volkskunde / Vergleichende Kulturwissenschaften studiert. Was ich tue und warum, kann ich nur verstehen, wenn ich weiß, was das in meiner Gesellschaft bedeutet. Einfaches Beispiel: Mitglied in einem Fußball-, Cricket-, oder Lacrosse-Verein zu sein, ist in vielen Ländern ziemlich normal, in anderen ziemlich exotisch.


Über Dinge, die 'normal' sind, muss man nicht lange nachdenken. Sollte man aber, vielleicht gerade weil die Normalität das Sich-darüber-wundern erschwert. Wo gibt es überhaupt interessante Fragen, wenn etwas normal und gewohnt ist?

Die Corona-Maßnahmen bringen neue Faktoren und Fragen ins Spiel. Zum Beispiel, was passiert, wenn jemand seinen Sport nicht mehr ausüben darf. Was passiert, wenn jemand seinen Sport tatsächlich nicht mehr ausübt? Oder sich über die Beschränkungen hinwegsetzt und trotzdem weitermacht?

Schon ist man auch bei gesellschaftlichen Fragen.


Mal ganz konkret für Contact Improvisation: Neulich hat jemand gesagt, dass die Situation an die Prohibitionszeit erinnert. Offiziell gibt es keine Jams und Workshops mehr. Außer man weiß, wann und wo sie stattfinden. 

Den einen gefällt das gar nicht. Verständlich. Die gesetzlichen Regelungen sollen die Ausbreitung des Virus verhindern. Wer gegen die Regelungen verstößt, nimmt in Kauf andere damit zu gefährden.

Die anderen haben kein Problem damit. Sie sind gut vernetzt, wissen wo was stattfindet und sind risikobereit.

Und die dritten bekommen davon überhaupt nichts mit. Menschen, die unter anderen Umständen Contact Improvisation kennen gelernt hätten, erfahren jetzt einfach nichts davon.


Ich kann wirklich nicht sagen, ob und wie man das Für und Wieder abwägen kann. Rechtfertigen die positiven Aspekte einer Jam die möglichen oder tatsächlichen negativen Auswirkungen? Auch wenn sich niemand ansteckt, reicht allein die Tatsache, dass etwas angeboten wird, dass zumindest Diskussionen entstehen, die nicht zu einem Kompromiss führen können.

 

Ich kann aber (dank Studium) etwas über Traditionen sagen: Traditionen sind sehr wandelbar bis hin zur völligen Auflösung oder Neu-Erfindung. Träger, Funktion und Kontext können sich unmerklich ändern. Wie Planken im Schiff des Theseus, das nach und nach komplett erneuert wird und (vielleicht) trotzdem noch das gleiche Schiff ist. Wenn wir bei dem Bild des Schiffes bleiben kann es aber auch passieren, dass die Planke, die ausgewechselt werden soll, unter der Wasserlinie liegt und das Schiff noch nicht das Trockendock erreicht hat.

Einfach gesagt: Manche Traditionen gehen einfach unter. Geschäfte machen zu, Technologien werden abgewechselt, Menschen engagieren sich nicht mehr.

Langer Rede kurzer Sinn: Wie Nancy Stark Smith gesagt hat, wissen wir nicht, in welcher Entwicklungsphase der Contact Improvisation wir uns befinden. In den ersten Jahrzehnten einer Geschichte, die so lange dauern wird wie die anderer Sportarten? Oder in den letzten Jahren einer Nischensportart?


Traditionen können jederzeit verändert und neu erfunden werden. Das Gefühl etwas zu machen, das quasi bis in vorgeschichtliche Zeit (oder zumindest seeeehr lange) zurückreicht und sich damit selbst legitimiert, stellt sich von selbst ein. Aber es braucht halt jemanden, der das macht. Ich schätze die Aktiven der Contact-Improvisation-Szene nicht so ein, dass sie sich nach ein paar Monaten Einschränkungen plötzlich anderen Interessen zuwenden, aber wie gesagt: Es wird schwieriger für Menschen Contact Improvisation kennen zu lernen und Schwund gibt es immer. Wenn die Basis wegbröckelt, fehlen irgendwann auch (semi)professionelle Lehrer. Für manche sind die nicht so wichtig. Ein wenig Anleitung zum Kuscheln oder Toben geben kann schließlich jeder, oder? Aber Contact Improvisation ist mehr. Contact Improvisation ist etwas anderes. Es gibt viele Menschen, die Ahnung vom Tanzen, Atmen, Massieren, usw. haben und das in eine Contact-Improvisation-Veranstaltung einfließen lassen können. Aber nur wenige, die Ahnung von Contact Improvisation haben und in ihre Veranstaltungen Tanzen, Atmen und Massieren einfließen lassen können.


Könnten wir den Lockdown einfach aussitzen? Sicher. Freundliche Menschen, die Geld spenden, gibt es genügend. Irgendwie werden sich die Lehrer schon über Wasser halten. Können ja auch mal was 'richtiges' arbeiten. 

Könnte es nach dem Aussitzen wieder weitergehen wie zuvor? Ja, könnte. Contact Improvisation erfüllt ein Bedürfnis und das schon so lange, dass die meisten Menschen immer wieder zurückkommen werden.
Könnte es nach den Regelverstößen durch geheime Treffen zu weitergehen wie zuvor? Ja, könnte. Aber es könnte Veteranen geben, die die ganze Zeit über dabei waren und andere Veteranen, die freiwillig verzichtet haben.

Ich vermute Contact Improvisation steckt sowohl die Einschränkungen als auch die Verstöße dagegen einfach weg

Aber nichts ist sicher, wenn es um Traditionen geht.

Montag, 16. November 2020

Tanzen im Wasser im Neoprenanzug

Hallenbäder zu - Freibäder sowieso, aber wozu gibt es spontane Ideen und Online-Auktionshäuser. Also kurzentschlossen einen Neoprenanzug ersteigert und rein ins Vergnügen.

Ich hatte ehrlich keine Ahnung, was mich erwartet. Ich hab einen Anzug mit entsprechender Dicke (und sogar einer zusätzlichen Eisweste) erstanden und einmal zu hause anprobiert.

Uiuiui, danach war mir warm. Und mir war klar, dass es gar nicht so einfach ist einen hautengen Neoprenanzug an- und wieder auszuziehen. Und es konnte losgehen. Also am nächsten Wochenende ab zum Badesee und ab ins Wasser.

Der Unterschied zwischen angezogen und nur mit Badehose ist schon ziemlich deutlich. Das Wasser hatte etwa 12 Grad und ich bin gut damit klar gekommen. Meine Hände, Füße und das Gesicht waren frei, zwischendurch hab ich auch die Kapuze komplett vom Kopf gezogen und das war auch in Ordnung.

Sich im Neoprenanzug zu bewegen ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Auf der einen Seite angenehm, weil man zusätzlichen Auftrieb hat und auf dem Wasser treiben kann, wie in einem Floating-Tank. Auf der anderen Seite aber auch anstrengender, weil sich der Schwerpunkt verschiebt und man gegen den Widerstand des Anzugs arbeiten musst.

Alles in Allem: Super. Genau das, was ich mir erhofft hatte. Jetzt brauche ich nur noch jemanden, der mit mir mitschwimmt.

Im Wasser tanzen

 Das richtige Equipment ist wichtig: Dichte Schwimmbrille oder besser Tauchermaske, die auch die Nase bedeckt, Nasenklammer oder zur Not auc...